Wenn ich morgens früh meine Yogaübungen mache ist der Strand von Tulum noch menschenleer. Die Nacht hat Algen angeschwemmt und kaum geht die Sonne auf, kommt ein Heer von tapferen Männern mit Schaufeln und Schubkarren und kämpft Tag für Tag gegen diese Naturgewalt an. Sie buddeln tiefe Löcher und schaffen die Algenplage dort hinein. Sand drauf und fertig. Das dauert Stunden. Und am nächsten Tag geht alles von vorn los.
Edgar ist einer von Ihnen. Er fällt mir auf weil er unermüdlich die Schubkarre füllt, dabei gut gekleidet ist mit einer grauen Stoffhose, einem weißen Hemd und einem wunderbaren Lächeln.
Edgar fängt morgens um 7 Uhr an und arbeitet bis 15 Uhr unter der gleissenden Sonne der Karibik. Manchmal, sagt er, habe er abends heftige Kopfschmerzen. Ich trinke zu wenig, sagt Edgar. Das Wasser aus der Leitung ist verseucht. Und das Flaschenwasser zu teuer. Wasser wird in Tulum zu Turistenpreisen verkauft. Umgerechnet kostet ein Liter Wasser etwa 1 Euro. Edgar bekommt 1,50 die Stunde für seine Arbeit.
Edgar aus Chiapas
Edgar ist aus Chiapas, einem der ärmsten Bundesstaaten im Süden Mexicos. Seine Frau und drei Kinder sind dort geblieben. Denn eine Wohnung in Tulum ist unbezahlbar für seine Familie. Edgar schwingt eine Schaufel Algen schwungvoll in die Schubkarre und wischt sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß aus dem Gesicht. Er habe auch in den USA gearbeitet, erzählt er. Da habe sich das Arbeiten wenigstens gelohnt. Aber der Weg dahin über die Grenze war gefährlich. Manche verdursten unterwegs, sagt er. Hindernisse gebe es genug. Beim ersten Mal habe er mit Ach und Krach die Grenze überwunden und sei drei Tage später geschnappt und zurückgeschickt worden. Aber er sei wiedergekommen. Dann habe er jahrelang in den unterschiedlichsten Jobs gearbeitet. Edgar’s Augen leuchten. In einer Wäscherei, im Restaurant, auf einem Parkplatz. Tag-und Nachtschichten habe er gemacht und fast alles Geld nach Hause geschickt. Immerhin konnte er so seine Kinder zur Schule schicken.
Er stellt die Schaufel ab und stützt sich darauf. Aber jetzt, lacht er, mit dem „perro rubio„, dem blonden Hund, sei das ja vorbei. Viele Mexikaner kämen jetzt zurück, müssten sich um die wenigen schlecht bezahlten Jobs prügeln. Aber vielleicht sei das immer noch besser als in einem Land zu leben, das von einem Verrückten regiert wird. Sagt Edgar, lächelt und sieht dabei aus wie ein Sieger.
arm aber aufrecht: Edgar läßt sich nicht unter kriegen