Als ich Oskar in Oaxaca kennen lernte habe ich zwar schon viel und gut gegessen in Mexico aber eines wußte ich sicher nicht: die Tortilla teilt das Land in zwei Hälften. Im Norden schwört man auf Weizentortillas, im Süden kommt selten anderes als die traditionelle Maistortilla auf den Tisch. Nur eines eint sie: Niemand kommt ohne aus.

Maistortilla, eine Spezialität aus Südmexico
Tortillas sind Verwandlungskünstler
In Sachen Tortilla ist Oskar Carrizosa ganz Südmexikaner. Als ich ihn auf die runden Fladen anspreche strahlt er, streicht sich über seinen Bart und läuft zur Höchstform auf. Tortillas, sagt er, seien nicht einfach Teigfladen sondern Verwandlungskünstler. Wie das? Oskar holt tief Luft: „Wenn wir die Tortilla mit Käse füllen und sie umschlagen haben wir eine Quesadilla. Wenn wir sie rollen und eine Füllung hinzufügen ist es ein Taco. Wenn wir den Taco dann frittieren haben wir einen Taco Dorado (goldenen Taco) oder eine Flauta (flöte). Wenn wir die Tortilla hingegen flach frittieren und legen eine Füllung oben drauf verwandelt sie sich in eine Tostada. Wenn wir sie in Triangeln schneiden und diese dann frittieren sprechen wir von Totopos. Servieren wir diese Totopas dann mit einer Chili-Tomatensosse verwandeln sie sich in Chilaquiles. Eine gefüllte und dreieckig eingeschlagene Tortilla heißt Empanada. Eine eingeschlagene Tortilla, die wir in scharfe Tomatensoße einlegen ist eine Entomatada, in Chilisoße eingelegt heißt sie Enchilada, in dicke Bohnen eingelegt Enfrijolada.“ sprudelt es aus dem Gourmetmund hervor. Oskar faltet die Hände vor seiner blauen Kochschürze, zuckt entschuldigend mit den Schultern und legt noch einen drauf. Die Tortilla werde auch noch nach Größen, Farben, Konsistenz und Geschmack unterschieden. So gebe es beispielsweise blaue Tortilla (aus blauem Mais) und grüne (mit Nopal-Kaktus) Aber das führe jetzt wohl zu weit. Oskar seufzt. Ich auch. Denn ich will jetzt mal loslegen.

In Oskars Lehrküche Casa Crespo
Hacks der mexikanischen Küche
Bei Oskar kann man Kochkurse machen. Ein Tag voller spannender Hacks aus der mexikanischen Küche warten auf mich. An erster Stelle – wundert mich nach der Einleitung gar nicht mehr- die Tortilla.
- Zuerst werden Maiskörner mit Holzasche oder Kalkstein gekocht. Das alkalische Wasser hilft, den Spelzen vom Korn zu trennen und soll die Bioverfügbarkeit der darin enthaltenen Proteeine und Vitamine sowie die Bekömmlichkeit erhöhen. Das sogenannte „Nixtamalisationsverfahren“ wurde in Oaxaca nachweislich schon um 1.500 vor Christus angewandt.
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Mais: Nach dem Einweichen heißt es pulen
- Danach wird der Mais gründlich gewaschen, enthülst und noch feucht zu einer Tortilla-Mühle gebracht, die es in Oaxaca in fast jedem Stadtviertel gibt. Hier geben Hausfrauen, Dienstboten, und professionelle Tortilla-Produzenten ihren Trog mit dem vorbereiteten Mais ab und schauen dabei zu, wie er in die Mühle eingefüllt wird. Ein bisschen Wasser dazu und schwupp kommt er unten als Teig wieder heraus.
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Ab in die Mühle mit dem Mais
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In einer mexikanischen Maismühle, Oaxaca
Zu Hause, auf dem Markt oder in einer der zahlreichen Tortilla-Bäckereien wird der Teig dann weiterverarbeitet. Zugucken kann man dabei auf jedem mexikanischen Markt.
Marktbesuch in Oaxaca
Nachdem wir die Mühle mit dem Tortillateig verlassen haben gehen wir genau dort hin: zum Markt. Zwischen den Gemüseständen sitzen an langen Esstischen Bauern und Geschäftsleute, Frauen, Männer und Kinder, Reiche und Arme und lassen sich die mexikanische Garküche schmecken. Der Geruch vom Hammelbraten, der geschnetzelt und eingerollt in Tortillas und mit scharfen Soßen garniert serviert wird, ist unwiderstehlich. Buntes geröstetes Gemüse, frittierte gelbe Kürbisblüten und Malven, Chilis in allen Farben, begleitet von blauen und grünen Tortillas machen die Tafel zur Augenweide. Die schrägen fröhlichen Töne einer Mariachigruppe, die sich zwischen Rippchen und Würsten aufgestellt hat machen den Marktbummel zum Erlebnis.

Hier kommt die Tortilla zum Einsatz
Viel Gemüse in Oaxaca
Von Zeit zu Zeit stoppt Oskar den Rundgang und erklärt uns, was es mit den einheimischen Gemüsesorten auf sich hat. Und davon gibt es echt jede Menge in Oaxaca. Oskar findet, wer etwas über mexikanische Küche lernen will muss erst mal wissen was es so alles gibt auf dem Markt. Ich bin schwer beeindruckt von der Fülle an unterschiedlichen Pfefferschoten, von den Gerüchen und dem quirligen Leben der Markhallen. Aber jetzt heißt es flott zurück in Oskars Küche denn wir wollen Tortilla backen lernen und die dazugehörigen Soßen zubereiten. Seine Lehrküche befindet sich am Fusse der Kathedrale Santo Domingo hinter den bunten Fassaden der ersten Häuserreihe. Es ist die Casa Crespo.
Tortillas machen ist eine Kunst
Auf dem Markt sah es so einfach aus: Flinke Hände formen eine kleine Kugel aus dem Teig, bringen diese auf eine Tortillapresse. Der Hebel muss mit Kraft betätigt werden damit der Teig zu einem gleichmäßigen und dünnen runden Küchlein wird. Die große Kunst, an der ich mir die Zähne ausbeiße und Oskars Schüler meist verzweifeln, besteht nun darin, diesen dünnen Fladen von der Platte abzulösen und auf die heiße Kochplatte zu verbringen, zu rösten und zu wenden ohne dass er Schaden nimmt. So stellen die Profis Türme von Tortilla her.

Tortilla-Herstellung auf dem Markt
Aber ich bin kein Profi und meine Tortillas sehen im ersten Dutzend jämmerlich aus.

Da fehlt noch Übung
Dann kommt allmählich Schwung in meine Wendekunst und hurra, die erste Tortilla ist geschafft. Aber so schön wie von mexikanischer Hand werden meine wohl nie!

Tortilla-Herstellung auf dem Land
Oskars Rezept für die Tortilla-Masse
2 Pfund trockene Maiskörner
2 Gabelspitzen Kalkstein (Kalzium Hydroxid)
2 Liter Wasser
Bringen Sie das Wasser zum Kochen und lösen Sie den Kalkstein in einer halben Tasse Wasser auf. Lassen Sie es etwa 5 Minuten kochen. Nehmen Sie den Topf von der Feuerstelle, decken ihn zu und Lassen sie ihn über Nacht stehen. Am nächsten Tag spülen Sie das Korn unter fliessendem Wasser ab während Sie das Korn zwischen den Händen reiben um die Spelzen vom Korn zu trennen. Machen Sie das bis das Wasser sauber ist. Gut abtropfen Lassen. Für das mahlen des Korns können Sie einen Fleischwolf oder einen Mahlstein benutzen. Reiben oder zerkleinern Sie das Korn so lange bis es eine feine Textur hat.
Kochkurse in Mexico:
Beispiele:
Casa Crespo, Allende 107, Centro Histórico, Oaxaca
Foodmotion, Calle Netzahualcoyotl 19, Tepoztlan
El Tzitz, Av. Pichucalco 4 A, San Cristobal de las Casas