Reisen ist eine Frage der Haltung

Wie hätten wir es denn gerne? Pauschal oder individuell? Wer ist der bessere Tourist? Diese Frage wird gerade in zahlreichen Blogposts heiß diskutiert. Aber ist es überhaupt die richtige Frage?

Wenn Backpacking Schmarotzer-Züge annimmt, wenn es nur noch darum geht wer, wo, wieviel pro Tag ausgibt, wenn Derjenige glänzt, der am wenigsten bezahlt, wenn Bucket-Listen mit minimalem finanziellen Aufwand abgehakt werden sollen, ja, dann muss der „Individualreisende“ sich nicht wundern, wenn er auch mal von seinem hohen Ross gestoßen wird. Sind es nicht eben jene Selbstverwirklicher, die ohne Rücksicht auf die lokale Bevölkerung genau das tun was gemeinhin dem Pauschaltourismus vorgeworfen wird, nämlich die Menschen ausbeuten? Sind es nicht die Geiz-ist-Geil-Backpacker, die  in die Länder Südostasiens einfallen, fast so, wie einst die englischen und französischen Eroberer? Ist es den veganen Feldzügen der Backpacker geschuldet, wenn die Einheimischen kein Gemüse mehr essen weil es für sie unerschwinglich geworden ist?

Das Leben ist bunt

Ich glaube die Diskussion geht in die falsche Richtung. Wir wollen uns gerne für „entweder-oder“ entscheiden. Wir wollen zu den Guten gehören, nicht zu den Bösen. Aber das Leben ist eben nicht schwarz-weiß sondern ziemlich bunt, vor allem unterwegs. Die Frage ist nicht „Individuell“ oder „Pauschal“; die Frage, die wir uns stellen sollten ist vielmehr die unserer Haltung.

Hotel in Martinique

Das Leben ist bunt, besonders unterwegs

Mißtrauen, Kritik und Vorurteile

Was wollen wir denn, wenn wir reisen? Preise die ohnehin niedrig sind noch weiter runter handeln? Mit Dumpingpreisen auftrumpfen?  Selfies schießen wo immer eine Sehenswürdigkeit auftaucht? Hinter jedem freundlichen Angebot eine Abzocke vermuten? Die fremde Kultur kritisieren und alles besser wissen? Uns in unangemessener Kleidung zeigen? Gebräunte Haut zur Schau stellen und verbrannte Erde hinterlassen? Ungefragt unsere Vorurteile zum Besten geben? All das kann ich sowohl als Pauschaltourist als auch als Backpacker.

Neugierde, Offenheit und Freundlichkeit

Oder wollen wir Neues lernen, Perspektiven wechseln, uns neugierig ausliefern an Bräuche und Denkweisen, die wir nicht kennen, darauf vertrauen, dass das Leben und die Menschen es gut mit uns meinen, uns einlassen, auch wenn wir nicht alles verstehen, uns bemühen ein paar Brocken der Fremden Sprache zu sprechen, freundlich bleiben, auch wenn wir erschöpft und müde von der langen Busreise sind? Auch das geht völlig unabhängig davon, ob wir individuell oder pauschal unterwegs sind, ob wir einen Rucksack schultern oder den Rollkoffer hinter uns herziehen. Es ist einfach eine Frage der Haltung.

Pauschalreisen sind nicht böse

Was ist verwerflich daran eine Pauschalreise zu buchen, frage ich die Backpacker? Es ist nicht Jedermanns Sache im Urlaub neue Herausforderungen und Abenteuer zu suchen. Und Viele haben gar keine Zeit, eine Reise zu organisieren. Als voll berufstätige Alleinerziehende bin ich oft pauschal verreist, weil ich erschöpft war, dringend Erholung für mich und Spielgefährten für mein Kind brauchte. So what? Es muss ja kein Veranstalter sein, von dem man weiß, dass er sein Personal schlecht bezahlt, Knebelverträge macht und seine Gewinne an der Steuer vorbei auf ausländische Konten leitet. Es gibt durchaus Veranstalter mit denen wir nachhaltig, fair und –so weit es möglich ist- umweltbewusst reisen können. Zu finden beispielsweise auf dieser Plattform

Das Reisemagazin Anderswo zeigt Alternativen zum gängigen Tourismus und stellt Veranstalter, Orte und Unterkünfte vor. Fair unterwegs hinterfragt Tourismus aus entwicklungspolitischer Sicht und gibt Tipps dazu. Bei Good Travel findest du besondere Unterkünfte für nachhaltiges Reisen.

Achtsam reisen, mit Herz und Verstand

Auch ein Backpacker kann bewusst und achtsam reisen. Und es gibt viele die das tun. Wer möchte, dass die einheimische Bevölkerung vom Tourismus profitiert kann auf Folgendes achten:

  • Ausflüge bei lokalen Agenturen buchen anstatt bei internationalen.
  • Öffentliche Verkehrsmittel, Busse und Züge nutzen
  • Lebensmittel auf den Märkten kaufen anstatt im Supermarkt
  • Wer Preise verhandeln will sollte sich tunlichst vorher bei Einheimischen informieren ob das üblich ist und in welchem Rahmen. Sonst ist es einfach nur peinlich, finde ich.
  • Rudimentäre Sprachkenntnisse und das Wissen um kulturelle Besonderheiten helfen, Fettnäpfchen zu vermeiden und einen unmittelbaren Zugang zu den Leuten zu bekommen.
  • Freundlich sein! Hat noch nie jemandem geschadet und verbessert überall auf der Welt die Verständigung.
  • Wenn ihr dazu weitere Vorschläge und Ideen habt, immer her damit in die Kommentarspalte.

Die Art des Reisens ist keine Religion. Wir können heute Backpacken und morgen pauschal verreisen, wir können mit einer Reisetasche, einem Turnbeutel oder einem Businesskoffer auf Tour gehen. Alles kein Problem. Hauptsache wir tun es mit Herz und Verstand.

 

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