San Miguel de Allende: ein buntes Dorf und hippe Rentner

Man hatte mir gesagt, dass in San Miguel de Allende besonders viele Ausländer  50+ leben. Sie verbringen hier entweder den Winter oder sind sogar ganz hierher gezogen. San Miguel de Allende ist ein kleines Städtchen im zentralmexikanischen Hochland, etwa5 Busstunden nördlich von Mexico City.

Der zentrale Platz von San Miguel de Allende

Der zentrale Platz von San Miguel de Allende

Es ist ein sogenanntes pueblo Magico, das sind besonders schöne, gut erhaltene Ortschaften aus der Kolonialzeit. Das mit den 50+ stimmt. An keinem anderen Ort habe ich so viele grauhaarige Menschen getroffen. Im Ortsteil Guadiana finde ich eine Unterkunft, direkt am gleichnamigen Park, wo sich Menschen an steinernen Schachtischen begegnen oder in Gesprächen über ihre Hunde Zugang zueinander finden.

Parque La Guadiana mit dem walk of famous

Parque La Guadiana mit dem walk of famous

Der Park von Guadiana

Ich schließe diesen Park schnell in mein Herz obwohl ich eigentlich zu jung bin, um Stunden auf einer Parkbank zu verbringen. Aber hier sitze ich inmitten von blühendem Lavendel, zwischen Kakteen und unter blau blühenden Jacaranda Bäumen und beobachte die Passanten. Immer gibt es ein freundliches Lächeln und freudiges Hallo, manchmal auch ein paar Sätze mehr. Eine der gängigsten Fragen ist: „lebst du hier oder verbringst du nur deinen Winter in San Miguel Allende“? Kein Zweifel: viele Ausländer tuen entweder das eine oder das andere. Sie alle eint das graue Haar und die gepflegte Erscheinung. Selten habe ich so viele attraktive alte Menschen gesehen wie in San Miguel. Vor allem Frauen sind elegant gestylt, viele auch im Boheme-Stile, mit Federnschmuck und Flatterkleidchen. Auf dem Platz spricht der „Walk of Famous“ Bände: Man kann dort Sprüche, Danksagungen und Erinnerungen eingravieren lassen, erklärt ein kleiner Aushang am Baum. Absender: Los Amigos del Parque Guadiana.

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Es sind Ausländer, die sich hier verewigen mit Widmungen wie diesen: „To my loving wife Patricia Thanks for making me a better man“ oder „my dearest Robert, thanks for your kind words but it’s still a work in porgress“ oder auch „son, you’ll outgrow my lap but never my heart“. Der stille Wind, Lavendelduft und Vogelzwitschern, sprechen eine ganz eigene Sprache. Dies ist ein Ort an dem man sich wohlfühlt. Das Klima ist trocken und gemäßigt, angenehme 24 Grad Celsius. Der Himmel blitzblau, die Sonne hell, die Tage warm, die Nächte kühl. Was will man mehr.

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Graue Haare, wohin das Auge blickt

Tatsächlich leben in dieser Stadt rund 12.000 Expats, also Ausländer, die sich hier dauerhaft nieder gelassen haben. Die meisten kommen aus den USA und aus Kanada. Aber unter den insgesamt 60 Nationalitäten sind auch deutsche Auswanderer. Und was treibt sie her, frage ich einen der es wissen muss: Guillermo Gonzales Engelbrecht hat deutsche Vorfahren, sein Urgroßvater, der in den 40er Jahren nach San Miguel gekommen ist und sich in seine Mexikanische Urgroßmutter verliebt hat. Er war damals der erste Ausländer und sollte es auch lange bleiben. Erst in den 50er Jahren änderte sich das. Ein Amerikaner aus Chicago gründete damals das Instituto Allende, eine Kunstschule, die noch heute regen Zulauf hat. Damals schloss er einen Vertrag mit dem amerikanischen Militär ab, die ihre Kriegsversehrten an die mexikanische Kunstschule schickten um sie die Schrecken des Krieges vergessen zu lassen. Sie kamen und sie blieben.

Kirchplatz

Kirchplatz San Miguel Allende

Kunst und Kultur für Auswanderer

Noch heute werden im Instituto Allende Kunst- und Sprachkurse angeboten. In den beeindruckenden historischen Gemäuern liegen die Ateliers und in zahlreichen Patios und Gärten sitzen vorwiegend grauhaarige Schüler und Schülerinnen und lernen Spanisch. Die Überwinterer und Auswanderer in San Miguel Allende wollen beschäftigt werden.

Patio vom Instituto Allende

Patio vom Instituto Allende

In der Bibliothek gibt es die größte Sammlung englischer Bücher in Lateinamerika und in seiner Cafeteria sitzen vorwiegend Amerikaner und Kanadier, Stammgäste, die sich grüßen und kennen. Sie interessieren sich für Kunst und Kultur, für gutes Essen und Trinken. Das ist, warum beides hier reichlich gedeiht: Galerien, Ausstellungen, Kino, Theater und Konzerte bieten reichlich Gelegenheit auszugehen, sich zu unterhalten und zu bilden. In kaum einer anderen Stadt Mexicos habe ich so viele stilvolle Restaurants für jeden Geschmack gefunden. Die Küche ist so international wie die Community. Aber das Besondere, sagt Gonzales Engelbrecht ist, dass die Ausländer in San Miguel sich so hervorragend integrieren. Viele arbeiten ehrenamtlich in NGO’s mit, sie bringen sich in die Gemeinde ein, sie wollen sich nützlich machen. Und das scheint dem Zusammenleben gut zu tun.

Es boomt in San Miguel

Natürlich hat der rege Zulauf auch Schattenseiten: die Immobilienpreise explodieren, die Mieten sind für Jemanden der keine Devisen hat fast unmöglich zu bezahlen und auch das allgemeine Preisniveau steigt. Andererseits hängen viele Arbeitsplätze an der Expat-Gruppe: sie benötigen Hauspersonal, Gärtner, Köche, Taxen und viele andere Dienstleistungen. Die pfiffigen Geschäftsideen, wie vegane Restaurants, Ökoläden, handgemachte Seifen und Kosmetika, kaltgepresstes Ölivenöl aus regionaler Herstellung, Yoga- und Fitnesstudios, Massage und Beautysalons bedienen diese ausländische Klientel und werden oftmals von Italieners, Kanadiern, Deutschen oder Franzosen vermarktet. Aber auch die Mexikaner haben den Öko-und Regionalmarkt für sich entdeckt und sind mit kreativen Start-Ups auf der Überholspur.

fröhliche Rentner und hippe Cafés

fröhliche Rentner und hippe Cafés

In San Miguel gibt es nichts, was es nicht auch in anderen coolen Städten der Welt gibt. Einschließlich Hipsterkultur und –leider auch- Coffee to go. Warum, frage ich mich, müssen Rentner einen Coffee to go trinken? Warum zum Teufel müssen wir unsere Fehler und Irrtümer immer gleich in die Welt senden? Warum nicht den Kaffee ganz gemütlich auf einem dieser schönen Plätze im Schatten eines Baumes trinken? Gerade in unserem Alter. Wer, wenn nicht unsere Generation weiß, welche Probleme Plastik der Welt beschert, vor allem in Ländern, die weder über Müllverwertung noch Müllvermeidungsstrategien verfügen. Ach, was rege ich mich auf. Geh  ich lieber in den Park Guadiana, setz mich auf die Bank und fange ein gepflegtes Schwätzchen an.

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