Mein ganz persönlicher Weihnachtsmann hat eine multiple Persönlichkeit. Das erkenne ich schon allein daran, dass er mich in den Wochen vor dem Fest aus jedem Schaufenster angrinst und mir leibhaftig in mehrfacher, wohlgemerkt zeitgleicher, Ausführung auf Weihnachtsmärkten und vor einschlägigen Drogerieläden begegnet. Meistens ein wenig schlecht gelaunt. Weil der Weihnachtsmann – wie wir Alle – nach 3 Wochen Dezembergrau ganz offensichtlich unter Licht-und Vitamin D-Mangel leidet und es leid ist, seine schlechte Stimmung unter weißen Rauschebart und roter Zipfelmütze zu verbergen. Er ist eben auch nur ein Mensch.
Der Weihnachtsmann hat den Winterblues
Schlechte Laune könnte er auch deshalb haben weil die halbe Welt mit Tüten behangen an ihm vorbeihetzt und ihn keines Blickes würdigt, ihm, der dort stundenlang in der Kälte ausharrt und die dudelige Weihnachtsmusik vom Laden gegenüber sowie die schrägen Töne der 3 artigen, aber musikalisch höchst unbegabten Kinder mit stoischer Ruhe erträgt. Aus Trompete und Klarinette dringen unharmonisch gepresste Töne, die Triangel klimpert ratlos dazwischen. Aber was soll’s: an Weihnachten kommt alles von Herzen und so rassseln die Geldstücke in die kleine Schachtel der unbeholfenen Kinderkapelle und in die großen Kassen der Konzerne und Händler. Sei’s drum.
Friede und Freude kehren erst ein wenn die Geschäfte endlich geschlossen und die Weihnachtsmärkte abgebaut sind. Zu Hause. Endlich. Durchatmen. Jetzt könnte er kommen, der Weihnachtsmann, sich dazu setzen und verschnaufen. Die schweren Stiefel ausziehen und die Füße vorm Kamin hochlegen. Gemütlich bei Kartoffelsalat und Würstel oder bei Gänsebraten mit Rotkraut ein Glässchen Wein trinken, dem Jesuskind in der Krippe zuprosten und Weihnachten geniessen, das Fest der Liebe und des Friedens.
Friede auf Erden – schön wär’s
Aber es ist kein Frieden auf Erden. Nirgendwo. Frank, der wochenlang den Weihnachtsmann gegeben hat zieht die schweren Stiefel aus und gibt die Tracht beim Kostümverleih ab. Sein spärliches Einkommen als Paketbote hat er durch die Show nur unwesentlich aufbessern können. Seine Freundin ist sauer weil er nie Zeit hatte und wenn die Bescherung kommt wird sie enttäuscht und mit müden Augen das bescheidene Geschenk betrachten. Sie ist eben auch nur ein Mensch. Im Hausflur begegnet Frank seinem Nachbarn und wünscht fröhliche Weihnachten. Aber Ahmed ist alles andere als fröhlich. Der Syrer wartet immer noch auf seine Familie, die in einem Flüchtlingslager in Libyen ausharrt und nicht ausreisen darf. Wie es in einem libyschen Flüchtlingslager aussieht wollen wir uns jetzt lieber nicht ausmalen sonst kotzen wir am Ende noch die gute Weihnachtsgans aus.
Worüber freut sich der Weihnachtsmann?
Die gute Nachricht ist: In Frank schlummert direkt neben dem Weihnachtsgrisgram auch ein fröhlicher Weihnachtsmann. Fröhlich ist er immer dann, wenn er in unter 7-jährige leuchtende Kinderaugen schaut. Sie stemmen ihre kleinen Füsschen in den Asphalt und hängen sich mit dem ganzen Leichtgewicht an den Arm der gestressten Mutter, die doch schnell weiter muß. Sie nötigen sie zum Innehalten, so wie ein Zwergpincher, der an der Leine zerrt und nur noch über den Boden geschleift werden könnte. Aber das macht ja keiner. Über diese Kinder freut sich der Weihnachtsmann. Die anderen, die über 7-jährigen sind meist rotzfrech, behaupten es gäbe den Weihnachtsmann gar nicht und bestellen ihre Geschenke auf dem eigenen Tablet bei Amazon. Auch zu Hause hat das Weihnachtsfest noch ein freundliches Gesicht bekommen. Die quengelige Freundin ist am 2. Weihnachtstag zur Oma gefahren. Da hat Frank seinen Nachbarn Ahmed rübergeholt, um mit ihm zu kochen. Sie haben sich mit Händen und Füßen verständigt, abwechselnd deutsche Weihnachtsmusik und arabische Lieder gehört. Danach hat Frank seinen Laptop aufgeklappt und Ahmed eingeladen, mit seiner Familie zu skypen. Ahmed hat geweint und die beiden haben sich lange umarmt.
Für mich ist Weihnachten ein Dankesfest
Ich wünsche Euch allen eine frohe Weihnacht. Auf dass ihr viele kleine glückliche Momente habt, jenseits von Konsumterror und schlechten Nachrichten. Für mich ist Weihnachten hauptsächlich ein Dankesfest. Ich sage danke für ein einigermaßen friedvolles Leben in einem demokratischen Land. Danke, dass ich glauben darf was ich will und wählen darf, wen ich will. Danke, daß es Menschen gibt, die sich der braunen Soße in unserem Land widersetzen, die für unsere Werte stehen. Danke, daß ich nicht fürchten muss plötzlich und ohne Grund im Gefängnis zu landen. Danke für eine Dach über dem Kopf, für Heizung und Strom aus der Dose, für stets fliessendes, sauberes Trinkwasser, für einen meist vollen Kühlschrank mit gesunden Lebensmitteln, für Straßen, die ich gefahrlos überqueren darf. Danke, dass ich keinen Taifunen, Erdbeben und Fluten, keinen großen Hitze-und keinen extremen Kältewellen ausgesetzt bin. Ich sage danke an meine Leser, danke für Euer Feedback, danke, daß ihr teilhabt an meinen Gedanken, Träumen und Ängsten.
Danken und teilen
Und weil ich versprochen habe 10% aus dem Erlös meines Buches Comeback mit Backpack an die UNO-Flüchtlingshilfe zu spenden, habe ich vor Weihnachten insgesamt 400 Euro überwiesen. Und wenn ihr jetzt denkt: na ja, 400 Euro ist ja nicht viel: eine erste Notunterkunft für eine komplette Familie kostet 42 Euro. Allen, die mein im Mai 2017 erschienenes Buch gekauft haben dafür ein dickes Dankeschön! Das ist Eure Spende an die UNO-Flüchtlingshilfe. Allen, die das Buch unterm Weihnachtsbaum hatten oder noch kaufen wollen: Danke dafür. Natürlich läuft die Spende ohne Verfallsdatum weiter, für jedes verkaufte Buch. Bis keines mehr da ist. Und wer einfach so spenden möchte, findet hier die Kontoverbindung der UNO-Flüchtlingshilfe

Comeback unterm Weihnachtsbaum. Dank an Alexandra Sefrin
Das Foto vom Buch unter dem Weihnachtsbaum hat übrigens eine Leserin heute geschickt mit den Worten „Liebe Gitti, das Christkind hat es gut mit mir gemeint! Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch!“ Danke auch dafür, liebe Alex.
Wahre Worte, die mich sehr nachdenklich gestimmt haben…
Wir sind viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt und erhoffen uns, dass wir mit ach so tollen und teuren Geschenken eine Freude bereiten können. Doch die wahre Magie liegt in den Kleinigkeiten und herzlichen Gesten, die einen wirklich bereichern.
Danke für diese schöne Geschichte Gitti!
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