Auf all meinen Reisen gibt es einen Freund, den ich besonders vermisse: den Wald. Wenn ich nicht reise wohne ich in Bonn. „Mein“ Wald ist der Kottenforst. Ich suche ihn auf, so oft ich kann, manchmal täglich, egal ob im Sommer oder im Winter.

Mikrokosmos im Wald, spannend sommers wie winters
Kaum berühren meine Füße den federnden Untergrund von Tannennadeln und Erde bekommt mein Geist Flügel und die Gedanken fliegen davon. Jetzt haben die Sinne das Sagen: Die Augen ertrinken in Grün, das Blätterwerk raschelt, die Wipfel wiegen sich im Wind, ein Specht klopft und schon strömt der würzige, unverwechselbare Waldgeruch nach Harz und Holz durch meine Nasenflügel geradewegs ins Gehirn, wo es ein Feuerwerk an Glückshormonen auslöst. Manchmal breite ich meine Arme aus und dreh mich im Kreis, wie ein spielendes Kind, bleibe stehen, schliesse die Augen, alles dreht sich, spüre noch dem Wirbeln der Luft um mich herum nach und es formt sich nur ein Gedanke: Was für ein Glück!

unverwechselbares MAigrün im Kottenforst
Der Wald – meine erste große Liebe
Der Wald ist mein Freund aus Kindheitstagen. Meine große erste Liebe. Als 12-jährige habe ich mal auf dem Waldboden übernachtet. Einfach so, ohne Zelt, auf Laub gebettet. Ich war bei meiner Patentante zu Besuch in Rieferath. Hinter ihrem Haus beginnt der Wald. Nach Mitternacht wurde es unheimlich, es knackte im Unterholz, Wildschweine vielleicht. Da bin ich schnell wieder rein gegangen. Aber das Erlebnis, im Wald zu liegen, in die Baumkronen zu schauen, bis es dunkel wird, die Sterne hindurch blitzen zu sehen, das ist geblieben.
Warum der Wald uns so gut tut, wissen die Japaner vielleicht am Besten. Seit den Achtziger Jahren fördert der japanische Staat ein millionenschweres Forschungsprojekt zur Wirkung des Waldes auf unsere Gesundheit. Auf japanischen Universitäten können die Studenten inzwischen die fachärztliche Spezialisierung „Waldmedizin“ machen.

schau dir die Farben der Blätter an, höre ihre Musik
Shinrin-Yoku: Waldmedizin auf japanisch
„Schau dir die Farben der Bäume an, atme tief ein, hör die Blätter rauschen. Wenn du müde bist, darfst du dich ausruhen, wo und wann du willst. Wenn du durstig bist, darfst du etwas trinken, wo und wann du willst. Dreckige Hände machen dich gesund. Waldgänge klären deine Gedanken.“ So weist Professor Qing Li seine Studenten beim Waldbaden, dem Shinrin-yoku an. Der Professor will die Waldmedizin weltweit bekannt machen. Nach nur einer Stunde im Wald verbessert sich das Immunsystem, Blutdruck, Kortisol und Puls sinken. Dank der Botenstoffe, die der Wald absendet. Prof. Li hat die Wirkung von Terpenen erforscht. Pflanzen stoßen Terpene aus um schädliche Insekten abzuschrecken. „Wir atmen den Duftcocktail der Bäume ein und nehmen ihn über unsere Haut auf“.
Grün für die Seele
Das mag alles sein. Aber es kann auch viel einfacher sein. Als ich länger im Süden Mexicos war, wo alles verdorrt und gelb ist, schrie mein Körper förmlich: Gib mir Natur, ich brauche sie. Was für ein Aufatmen als ich dann aus dem Flugzeug den grünen, tropischen Teppich von Yucatan sah! Und was für eine Wiedersehensfreude wenn ich zurück bin und meinen Wald aufsuche! Hierhin gehen meine kleinen, alltäglichen Kurzreisen. Bis ich wieder unterwegs bin.

so geht Waldbaden